Alexander Maute,

Klare Ideen und neue Spielregeln für Europa gefordert. Europa handlungsfähiger machen

"Wir müssen stärker an die Europäische Union glauben": Mit diesem Satz lässt sich am besten beschreiben, worum es Alfred Diebold, dem Europakandidaten der SPD für Südwürttemberg geht, wenn er über sein Europa spricht. Im Rahmen der Europawahl, war der promovierte Wirtschaftswissenschaftler nach Balingen gekommen, um über seine Vision von Europa zu sprechen; kritisch aber zugleich voller Visionen und Hoffnungen skizzierte er dabei  den Weg, den die Europäer für ein wirklich vereintes Europa gehen müssen. Er selber möchte als Abgeordneter des Europäischen Parlamentes für die Sozialdemokraten daran mitgestalten.

Immer wieder, so Alfred Diebold, mache er die Erfahrung, dass die Menschen wie selbstverständlich über jene Errungenschaften sprechen, die Europa ihnen beschert hat, sei es der Euro, der grenzfreie Austausch von Waren und Dienstleistungen oder auch das friedlichen Miteinander der Kulturen. Und dennoch seien die gleichen Menschen sehr kritisch in ihrer Wahrnehmung und der Bewertung gegenüber dieser Union. "Warum kommt Europa bei den Menschen nicht an?", so seine Frage an die Gäste, die sich auf Einladung des SPD Ortsvereines Balingen am Dienstag zur Diskussionsveranstaltung mit dem Europakandidaten im Zollernschloss eingefunden hatten.

Hierfür kann er selber klare Gründe nennen. Zunächst würde in den Nationalstaaten nicht ausreichend dafür getan, die Akzeptanz dieser Gemeinschaft zu verbessern. Schlimmer noch, viele Vorteile, die Europa mit sich bringt, rechneten sich seiner Meinung nach die Politiker der einzelnen Ländern selber an, wo immer es Schwierigkeiten und Probleme gebe, würden diese mit Verweis auf Brüssel der EU angelastet. "So entsteht in der Öffentlichkeit ein schlechtes und vor allem verzehrtes Bild von Europa". Deshalb sei es wichtig, immer wieder ehrlich über Europa zu sprechen. Gerade bei der Erweiterung der Europäischen Union würden die wirtschaftlichen Vorteile, die vor allem für Deutschland sehr hoch sind, nicht ausrechend dargestellt. Neue Mitglieder bedeuteten neue Märkte: Für den Exportweltmeister Deutschland also dringend benötigte Absatzmöglichkeiten. Zudem hätte Deutschland ein großes Interesse daran, gerade die Länder im Osten Europas, durch eine Mitgliedschaft an der Europäischen Union, wirtschaftlich zu stabilisieren und politisch wie gesellschaftlich an den Westen heranzuführen.

Vor allem Länder wie etwa die des westlichen Balkans benötigten eine Perspektive: "Diese Länder können nicht nur von innen heraus gefestigt werden". Die Europäische Union müsse mithelfen, sie zu stabilisieren. Für deutsche Unternehmen, die sich auf den Märkten Osteuropas bewegen, sei Rechtssicherheit eine wichtige Sache: sie werde durch die Mitgliedschaft dieser Länder in der Europäischen Union gewährleistet. Dazu bedarf es nicht zwingend eine Vollmitgliedschaft. Über so genannte Nachbarschaftsprogramme biete sich die Möglichkeit sicherzustellen, dass sich diese Länder "in unserem Sinne entwickeln".

Trotz aller Gründe, die wirtschaftlichen und politischen etwa für einen Beitritt weiterer Länder zur Europäischen Union sprechen, sei eine Vision nötig, welche die Menschen auch emotional davon überzeugt, Ängste abzulegen und eine Akzeptanz für dieses Vorhaben zuzulassen. Völlig falsch sei es, eine Neid-Debatte aufzubauen. Sicherlich leiste Deutschland als größter Netto-Zahler große Summen an Brüssel, profitiere aber von den offenen Märkten wie kein zweites Land auf dem Kontinent. Und auch die Vorstellungen, alle Osteuropäer wollten nach Deutschland zum Arbeiten ist nach Ansicht Diebolds nicht mehr als Stammtisch-Parolen.

Das Europa aber auch über den Tellerrand schauen muss, dies machte Alfred Diebold am Beispiel Afrika deutlich. Hier müssten die Europäer, wiederum aus eigensten Interessen mithelfen, das Land politisch und wirtschaftlich zu stabilisieren. Nur ein vereintes Europa, das mit einer Stimme spricht, könne dieses große Problem lösen.

Dazu sei es sicher nötig, Europa und seine Institutionen zu verbessern. Eine zu große Bürokratie, wie Brüssel immer vorgeworfen wird, stelle dabei nicht das zentrale Problem. Vielmehr sei es die Überreglementierung vieler Lebensbereiche, die Europa auch in der Wahrnehmung der Menschen als schwerfällig und handlungsunfähig erscheinen lässt.

Ein erweitertes Europa benötige daher neue und vor allem klare Spielregeln um die anstehenden großen Probleme zu meistern. Dass dies möglich ist, zeige gegenwärtig die Art und Weise wie die Finanzkrise und ihre Folgen erfolgreich angegangen werden. Aber ebenso stünden gerade aus Sicht der Sozialdemokraten noch viele Bereiche auf der Europäischen Agenda. Arbeitnehmerrechte ist so ein Thema. Und auch der Missbrach etwa bei Subversionen, der täglich durch Lobbyisten ausgeübt wird, gehöre eingedämmt.

Wie weit sich die Europäische Union in Richtung Osten ausweiten könnte, dies wollte Diebold nicht an geografischen Grenzen aufzeichnen. Vielmehr gehe es hierbei um wirtschaftliche, strategische aber auch kulturelle Gründe: "Wir können nur Länder in unserer Gemeinschaft aufnehmen, die unsere Werte teilen", so Diebold. Dazu gehöre auch ein Bekenntnis zur Demokratie. Und dies sei letztlich auch ein Grund, warum Länder wie Russland gegenwärtig aber auch in naher Zukunft keine Mitgliedskandidaten dieser Gemeinschaft sein können.